Veröffentlicht am 29. Mai 2008 • 0 Kommentare
Meine liebste Spielform im Golf ist das Lochwettspiel, auch Matchplay genannt. Für die Nichtgolfer unter meinen Lesern: Hierbei geht es nicht um Punkte oder den perfekten Score sondern nur darum, jedes Loch mit weniger Schlägen zu beenden als der Gegner. Jedes Loch zählt für sich und wird gewonnen oder verloren. Wer mehr Löcher gewonnen hat als noch zu spielen sind, hat die Partie gewonnen. Wie auch beim Zählspiel kann man Matchplays im Zweier- oder Vierermodus spielen. Sehr schön zu bewundern ist hochklassiges Matchplay im September beim Ryder Cup, dem alle zwei Jahre stattfindenden Kampf zwischen den USA und Europa, der dieses Jahr vom 16.-21.9. im Valhalla Golf Club in Louisville, Kentucky, USA ausgespielt wird und der für mich persönlich das sportliche Highlight schlechthin darstellt, meilenweit vor irgend welchen Fussball-EMs oder -WMs oder gar Olympia.
Im Matchplay muss man also nicht unbedingt 18 Loch zu Ende spielen (kann natürlich aber auch noch ins Stechen geraten, falls nach 18 Loch kein Sieger feststeht) und man darf sich Schläge oder ganze Löcher ”schenken”. Wenn mein Gegner seinen Schlag ”tot an die Fahne” gelegt hat, also sein Ball bis ca. nahe des Lochs zur Ruhe kommt, so muß ich ihn nicht zwingend einlochen lassen sondern kann ihm den letzten Putt schenken - wenn ich der Meinung bin, daß er den sowieso versenken würde. Oder ich schenke ihm gleich das ganze Loch, wenn ich nach vier Schlägen immer noch im dicksten Rough liege und es noch 150 Meter bis zum Grün sind, wo er bereits mit dem zweiten Schlag liegt und es nicht sehr wahrscheinlich ist, daß er noch drei oder vier Putts benötigt um das Loch zu beenden. Die Schenkerei gehört zu dieser Spielform ”unter Gentlemen” dazu und der Beschenkte darf nicht ablehnen, genauso wenig wie der Schenkende widerrufen darf.
In vielen Clubs wird ein Matchplay-Turnier über mehrere Runden, quasi saisonbegleitend angeboten - manchmal sogar ”offen”, also auch für Golfer aus anderen Clubs. Die Erstrundenpaare stellt das Sekretariat aus der Liste der Meldungen zusammen, ab dann geht es im k.o.-Verfahren weiter, also der Sieger aus Partie 1 spielt gegen den Sieger aus Partie 2 usw. So lange, bis am Ende der Saison der Lochwettspielkönig feststeht. Die Termine werden dabei i.d.R. kurz und unbürokratisch zwischen den Gegnern vereinbart, üblicherweise gibt es nur eine Deadline pro Runde (meist binnen sechs bis acht Wochen nach Bekanngabe der Paarungen), bis zu der jede Partie gespielt sein sollte. Innerhalb dieser Zeit findet sich eigentlich immer ein Termin zum Spiel.
Die Regeln im Matchplay unterscheiden sich auch sonst teilweise von denen des Zählspiels. Beispielsweise ist die Spielreihenfolge einzuhalten (wer am weitesten vom Loch entfernt liegt, muss zuerst schlagen), was teils erheblichen Einfluß auf die Spieltaktik haben kann. Und für fast alles, was im Zählspiel zwei Strafschläge kosten würde, darf man im Matchplay Lochverlust notieren. Psychotricks, um den Gegner unter Druck zu setzen, gibt es auch jede Menge. So kann man beispielsweise den anderen oft aus der Fassung oder dem Rhythmus bringen, indem man ihn fragt, ob er während des Rückschwungs aus- oder einatme. Schwupps, fängt der an zu überlegen und seine Konzentration ist gestört. Oder der Gegner ist zuerst dran mit dem Abschlag (”hat die Ehre”). Ein 150m Par 3, Gegenwind, er liegt im Match zurück und ist sich nicht sicher, welchen Schläger er nehmen soll, eine Eisen 5 oder doch lieber nur die 6? Der andere zieht selbstbewußt schon mal ein Eisen 7 aus dem Bag. Dies sieht der ”Wackelkandidat” und entscheidet sich für Eisen 6 (”wenn dem eine 7 reicht, wäre die 5 für mich zuviel”). Es kommt wie es kommen muß: Der Schlag bleibt zu kurz und der Gegner steckt eiskalt sein Eisen 7 wieder ins Bag, sagt ”oh, ist wohl doch windiger als gedacht” und spielt ein Eisen 5 an den Stock.
Diese Tricks und viele andere sind altbekannt und lassen erfahrene Matchplayer natürlich relativ kalt, aber diese Form von Psychotrickserei, das sogenannte ”Gamesmanship”, ist so üblich und unschön wie erlaubt.
Nach dieser sehr ausführlichen Einleitung, die mir der golfspielende Teil meiner Leserschaft hoffentlich verzeiht, möchte ich heute mal gegenüberstellen, wie grundverschieden Matchplay-Begegnungen so ablaufen können (ich habe die Namen der beteiligten Personen, Daten und Orte aus selbsterklärenden Gründen mal weggelassen bzw. teilweise geringfügig abgeändert, aber es hat sich grundsätzlich alles so abgespielt.).
Spiel 1:
Die Paarungen stehen Mitte April fest. Binnen sechs Wochen sollen alle Partieen gespielt worden sein. Ich checke meinen Kalender und maile meinem Gegner eine Reihe von Terminvorschlägen. Als nach zwei Wochen noch keine Antwort da ist, maile ich erneut und hinterlasse kurz danach auch eine Nachricht auf der Mailbox der von ihm angegebenen Handynummer. Auch weitere drei Wochen danach Keine Antwort, kein Rückruf. Inwischen sind drei der von mir vorgeschlagenen Spieltermine bereits verstrichen und ich habe nur noch einen Termin frei, an dem das Spiel stattfinden kann. Ich schalte die Spielleitung/Organisation ein, die sich mit dem Gegner kurzschließt und mir seinen Rückruf für den nächsten Tag verspricht. Der Rückruf kommt natürlich nicht, aber am übernächsten Tag erreiche ich meinen Gegner endlich telefonisch. Kein Wort der Entschuldigung, kein Wort der Erklärung - an dem von mir vorgeschlagenen Termin kann er nicht, er will in der Woche abends spielen, was für mich zeitlich/beruflich extrem ungünstig bis unmöglich ist, und so lange ist es ja auch nicht hell abends, dafür ist es noch zu früh im Jahr. Schliesslich einigen wir uns auf einen Abend unter der Woche, er fügt noch an ”aber nicht bei Regen”. Ich frage ihn daraufhin, ob er aus Zucker sei, worauf er mir einen von seiner beginnenden Arthrose erzählt. Yeah, well, dann soll er halt nicht golfspielen, denke ich bei mir. Selbstverliebtes Arschloch.
Spiel 2:
Mein Gegner ruft mich kurz nach Bekanntgabe der Spielpaarung an, wir vereinbaren kurz und unbürokratisch einen Termin ca. einen Monat vor Ablauf der Erstrundenfrist.
Spiel 1:
Mein Gegner kündigt an, daß nachher noch sein nichtgolfender Bruder als Caddie dazustoßen wird, der sich gern abends mal nach Büroschluß die Beine vertritt, das stelle doch wohl kein Problem dar, oder? Und wir duzen uns doch, oder? Na klar doch, es sagt sich schließlich leichter du Arsch als Sie Arsch. Auf meine höfliche Frage nach der mühsamen Terminfindung (”Hättest du dich nicht mal von selbst und deutlich eher melden können, du Schattenmorelle?” ”Wieso hast du nicht mal von selbst angerufen und weder auf mails noch meine Mailbox-Nachrichten reagiert?”) kommt nur ”Ach, ich hatte so viel zu tun und die hatten da bei der Spielleitung nicht meine richtige Telefonnummer in der Liste, das Handy höre ich nie ab”. ”Du wirst ja wohl diese Nummer bei der Anmeldung angegeben haben, du Nacktschneckenlutscher, und ich stehe morgens auch nicht nur deshalb auf, weil ich aufs Klo muß…”
Ob ich vielleicht mit dem Cart fahren möchte oder lieber laufen? Meinen fassungslosen Blick deutet er richtig als ”lieber laufen”. Außerdem erzählt er mir unaufgefordert von seinen Rückenschmerzen (”Bandscheibenvorfall letztes Jahr”) und seiner beginnenden Arthrose und daß er jahrelang in Spanien gespielt habe (”einstellig”) und das hiesige feuchte Wetter nicht mehr gewohnt sei. Ich antworte schulterzuckend, daß das ja alles wohl nicht ganz so schlimm sein könne, wenn er sich für ein Saison-Turnier anmelde und gewinne das erste Loch.
Spiel 2:
Mein Gegner bedankt sich, daß ich mir einen Tag Urlaub für unsere Partie genommen habe, rechnet gespielt laut wehklagend die mir zustehenden Vorgaben aus und ich antworte grinsend mit Gewinn des ersten Lochs.
Spiel 1:
Mein Gegner schlägt vor, daß er grundsätzlich zuerst abschlägt, auch wenn ich eigentlich die Ehre hätte, denn das würde die unnütze Lauferei zwischen dem Herren- und Damenabschlag ersparen. Ich lehne das ”grundsätzlich” ab, da wir sonst beide aufgrund der Übereinkunft, eine Regel nicht anzuwenden, der Disqualifikation anheim fallen. Allerdings habe ich kein Problem damit, wenn er an diesem Loch zuerst abschlagen möchte (”don’t ask, don’t tell”). Er schlägt ab und sein Ball landet im kniehohen Rough - wo er ihn aber umgehend wiederfindet. Glückspilz. Im Zuge der Konversationsbetreibung kommt die Frage auf, was wir so beruflich machen. Er macht eigentlich nicht mehr sehr viel seit seiner Rückkehr aus Spanien. Darum hat er auch so viel zu tun, vermute ich.
Spiel 2:
Mein Gegner ist nicht wirklich in Form und verliert in rascher Folge fünf Löcher. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, schlägt er immer zuerst ab. Ist mir während der Runde gar nicht aufgefallen.
Spiel 1:
Mein Gegner ruft seinen nichtgolfenden Bruder von unterwegs an, dieser möge ihm doch bitte einen neuen Trolley mitbringen, seiner sei kaputtgegangen. (”Stört doch nicht, wenn ich mal eben telefoniere, oder?”) Er schlägt jetzt nicht nur regelmäßig zuerst ab sondern spielt auch sonst selbstbewußt zuerst, wenn unsere Bälle gleichweit vom Loch entfernt liegen. Seine unkonventionelle Art, einen Ball neben einem Wasserhindernis zu droppen, verschlägt mir die Sprache. Sein Bruder kommt mit dem neuen Trolley und macht ihm den Caddie. Jeder im Rough verlorene Ball wird jetzt auch in der Abenddämmerung unmittelbar und wundersamerweise von einem der beiden schnell wiedergefunden und als der gesuchte Ball identifiziert. Als ich einen provisorischen Ball spiele, dann aber den ersten Ball finde und weiterspiele und anschließend kurz den provisorischen Ball suchen will, treibt er mich zur Eile an ”es wird ja gleich dunkel”.
Spiel 2:
Mein Gegner gratuliert mir zum Sieg und wir spielen die letzten Löcher noch entspannt und gut gelaunt zu Ende. Anschließend lässt er es sich nicht nehmen, mich und meine am Clubhaus auf mich wartende Begleitung zum Essen einzuladen.
Spiel 1:
Ich gratuliere meinem Gegner zum Sieg und er und sein Bruder verschwinden von der Bildfläche. Auf ein gemeinsames Bier nach der Runde wird offensichtlich auch seinerseits keinen gesteigerten Wert mehr gelegt.
Fazit:
Ich habe Spiel 1 verloren, weil ich diesem Typen nicht rücksichtslos in die Familienjuwelen gegenüber getreten habe bin und dieser Tage aus diversen Gründen einfach nicht die nötige Energie für einen Eklat aufbringe. Mea maxima culpa. Ich bin von einem professionellen Bully überrollt worden, dessen Chuzpah ich an dem Abend nichts entgegenzusetzen hatte. Noch einmal wird mir das nicht passieren. Das Spiel umgehend abzubrechen und der Spielleitung Bescheid zu geben wäre die einzig angemessene Reaktion gewesen.
Interessanter finde ich allerdings die Frage, warum ich Spiel Nummer 2 gewonnen habe. Ich habe keine Ahnung. Was glaubt Ihr?