Old School rant - FORE!
Ich spiele gerne und haeufig Turniere, meist vorgabewirksam, gelegentlich mal einen entspannten Vierer. Zum einen, weil mir ein gewisser Ehrgeiz nicht fremd ist, aber hauptsaechlich, weil die Plaetze heutzutage so bruellvoll mit Neugolfern ohne jegliche Etikette- geschweige denn Regelkenntnisse sind, dass ich mich auf Privatrunden langsam aber sicher jedes Mal am Rande des Amoklaufs bewege. (Unter uns: wer die Golfregeln nicht kennt, soll meinetwegen auf Nordic Stalking Walking umsteigen. Da kann er auch mit langen Stoecken planlos durch die Lande ziehen und sich zum Affen machen, aber eben ohne echte Golfer dabei zu nerven.)
“Play the ball at it lies. Play the course as you find it. And if you can`t do either, do what is fair.”
Heute erst hatte ich wieder ein paar solcher Exemplare, die in Sachen Regelkunde voellig unbefleckt und auch lernresistent waren. Golf ist ja bekanntlich der einzige Sport, in dem man sich binnen Sekunden zum meistgehassten Menschen machen kann, indem man die Regeln kennt und anwendet. Regelignoranten sind meist auch sehr schlecht in Mathe, besonders in der Addition, und sie leiden haeufig auch unter selektiver Amnesie: Schlechte Schlaege werden schlicht “vergessen”. Nicht immer, aber meist von Anfaengern mit Handicap 54-36.
Sorry, aber “Handicap 54” ist keins, das ist eine Clubvorgabe, besser gesagt: Platzreife. Leute, die Platzreife als Handicap bezeichnen, haben diese eher selten im eigentlichen Sinne des Wortes, aber sie haben ihre Aufnahmegebuehr bezahlt und einen meist happigen Jahresbeitrag, dem Pro ein paar Scheine zugesteckt und sich all die Schlaeger gekauft, deren Hersteller die Anzeigenabteilungen und Redaktionen der deutschen Hochglanzklopapiere zum Thema Golf schmieren. Es ist ein bisschen wie bei Gelaendewagen- und Luxuslimousinenfahrern: Das Ding war teuer und die Vorfahrt ist ergo im Preis mit drin. Der Neugolfer ist happy, er darf nun offiziell den grossen Rasen umpfluegen, statt immer nur auf dem Übungsgelaende seine kostbare Zeit zu vertroedeln. Der Club ist happy, denn er hat ein weiteres zahlendes Mitglied gewonnen (ein Platz kostet ein Vermoegen im Unterhalt) und das springt ihm wieder ab, wenn es nicht schnell genug auf die Runde darf. Der Verlierer dieser Rechnung ist der Golfsport und der echte Golfer, der seinen Sport so betreiben moechte, wie er betrieben sein will.
Ach ja, die Zeitfrage. Golf ist ein sehr zeitintensiver Sport. Eine Runde, also 18 Loch, dauert idealerweise 3 - 3,5 Stunden, wenn man zu dritt spielt. Nimmt man die An- und Abreise dazu, die halbe Stunde Aufwaermen vor und das Bierchen nach der Runde dazu, ist man rasch bei 5-6 Stunden angelangt. Im Idealfall, wohlgemerkt. De facto sind es eher 6-8 Stunden. Und da wundern sich manche, warum der Sport als Rentner- und Ärztesport verschrieen ist. Wer hat schon so viel Zeit? Um also die Massen auf die Fairways zu locken und bei der Stange zu halten, gibt es jetzt seit ein paar Jahren vorgabewirksame 9-Loch-Turniere, also halbe Runden. Ist ja auch weniger anstrengend. Ich warte ja auf den Tag , an dem das Championsleague-Finale auf zweimal 20 Minuten verkuerzt wird, dauert ja sonst so lange.
Als ich anfing mit diesem schoenen Sport, war er noch recht elitaer: Es gab ca. 140 Clubs in Deutschland, auf deren Fairways sich knapp 36.400 Golfer tummelten. Wahrscheinlich waren es tatsaechlich sogar eher weniger, denn auch ein Golfclub hat natuerlich - genau wie ein Fitnessstudio - nicht nur aktive Mitglieder, sondern natuerlich auch passive Karteileichen. Man kannte sich und seine Eigenheiten. Man hielt auf Etikette, was genaugenommen nichts anderes als eine hochtrabende Bezeichnung fuer gute Kinderstube und gesunden Menschenverstand ist: Man tue moeglichst nichts, um den anderen waehrend seines Schlags zu stoeren (etwa mit der Bonbondose klappern) und stelle sich nicht so dumm hin, dass man Schlaeger oder Ball des anderen abkriegt. Falls man - meist versehentlich - so weit geschlagen hatte, dass der Ball unmittelbar hinter den Hacken der - mitunter sehr langsam - vor einem spielenden Spieler einschlug, rief man erst laut FORE! (das heisst uebersetzt so viel wie “Volle Deckung, mein Ball kommt!”) und ging anschliessend hin und entschuldigte sich, gerne auch mit einem Drink nach der Runde. Heute ruft niemand mehr FORE!. Wer getroffen wird, hat halt Pech gehabt und war eben nicht schnell genug weg; die lahme Kruecke haette ja durchspielen lassen koennen. Survival of the fittest, baby. Heul doch.
Heute verteilen sich laut DGV Statistik 530.000 Mitglieder auf 736 Clubs. Und Karteileichen gibt es kaum noch, alle wollen spielen. Echte Clubs, von Mitgliedern gefuehrt, aufgebaut und finanziert, gibt es auch kaum noch, heute gibt’s Betreibergesellschaften mbH und sogar AGs. Die schreiben sich laut “Golf fuer alle” auf die Fahnen und werben damit, dass man nicht so snobby sei wie die verstaubten Dinosaurier, die noch mit so altmodischem Krams wie Buergen und einer Kleiderordnung arbeiten. Nunja, wenn sich ein kleiner Haufen sportbegeisterter Leute zusammensetzt und fuer das gemeinsame Ziel, einen Golfplatz, die Baugenehmigung und Finanzierung stemmen will, dann schaut man sich seine Mitstreiter natuerlich sehr genau an. Klar, es ist verlockend wenn Hans Neureich mit dem Scheck wedelt, und neue Umkleiden und Duschen waeren auch sehr schoen. Aber Hans Neureich will dann leider auch mal mitspielen, und will man wirklich drei bis fuenf Stunden in seiner Gesellschaft verbringen? Und was die Kleiderordnung (ein Hemd mit Kragen, lange Hosen (die uebrigens nicht zwingend kariert sein muessen) oder ueber das Knie reichende Bermudas, keine T-Shirts, keine Jeans, keine aermellosen Tops oder Muscleshirts) betrifft: Wo ist das Problem? Im Judo oder Karate will man auch niemanden in Jogginghose und T-Shirt sehen und in Wimbledon hat man vor Jahren Andre Agassi mal in die Umkleidekabine geschickt, weil er nicht in weiss sondern in kreischbunt aufschlug; jeder Sport hat seine Kleiderordnung, die meist praktischen Gesichtspunkten folgt. Ein Golfer verbringt eine Menge Zeit in der Sonne und mitunter auch im hohen, zeckenbewehrten Gras. Ein (Polo)Hemd mit einem den Nacken schuetzenden Kragen und eine lange Hose sind nicht nur stilsicher sondern auch sehr sinnvoll.
“Aber Tiger traegt auch oft nur ein T-Shirt!” schallt es protestierend von den Wiesen. Junge, wenn du so spielst wie Tiger, dann darfst du das. Siehst zwar immer noch peinlich aus, aber hey, als bestbezahltester Sportler der Welt stoert’s dich nicht. Tiger & Co. studieren auch stundenlang die Puttlinie (ganz gross und zugegebenermassen huebsch anzusehen darin ist Spiderman Villegas), eine weitere Unsitte, die aus dem Pro-Golf in den Amateurbereich geschwappt ist. Jungs und Maedels: a) spielen wir im Vergleich zu den Pros auf Kartoffelaeckern, wo ein Pi mal Daumen meist reicht; b) erkennen die meisten von euch einen Break in der Puttlinie nicht, wenn er Euch in den Arsch beisst und c) ist noch kein Ball reingegangen, weil man ihn zuvor markiert hat.